Fest steht, dass die Meeresströmungen unser Klima massiv beeinflussen. Wie eine riesige Wärmepumpe transportieren sie Wärme aus den tropischen Bereichen in die kälteren Regionen an den Polen. Besonders wir in Europa können uns über diese Heizung freuen. Würde sie ausfallen, würde sich unser Klima massiv verändern.
Hamburg liegt etwas auf der gleichen Höhe wie die kanadische Stadt Quebec. Dort liegt die durchschnittliche Tagestiefsttemperatur im Januar bei -18 °C, die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur bei -7°C. Temperaturen von 40°C unter Null sind keine Seltenheit. Die Nordsee und die Ostsee wären bei uns im Winter wohl weitgehend zu gefroren, wenn der Golfstrom uns nicht Wärme aus dem Süden bringen würde. Und das berücksichtigt noch gar nicht, dass auch Quebec von dem wärmendem Golfstrom profitiert, wenn auch in geringerem Maße als Nordeuropa. Unsere Landwirtschaft könnten wir komplett auf Rentierzucht umstellen. Kennen Sie vielleicht ein gutes Rezept für Rentier-Gulasch?
Mit oder ohne gutem Rezept - die Auswirkungen des Klimawandels in weiten Teilen Europas wären massiv. Aber wie groß ist die Gefahr, dass diese Meeresströmungen abreißen wirklich?
Interessant ist hier zunächst die irreführende Wortwahl. Der Begriff "abreißen" suggeriert, dass der Strom plötzlich zum Stillstand kommen würde, wenn er an einer Stelle kurz unterbrochen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Strömung würde sich immer weider neu aufbauen bzw. Umwege suchen, solange die treibenden Kräft wirken. Haben Sie einmal versucht einen störenden Zugluft in der Wohnung dadurch "abreißen" zu lassen, indem Sie die Luft mit den Armen wild verwirbelt haben? Nein? Eben, würde natürlich auch nicht funktionieren. Entscheidend ist, ob die Gefahr besteht, dass die Kräfte, welche die Strömungen antreiben auf Dauer verschwinden könnten. Welche Kräfte treiben diese Strömungen also an?
"Die Kälte und der hohe Salzgehalt sind die wesentlichen Kräfte der Konvektion. Sie reißen das dichte Wasser in den polaren Regionen hinab und treiben damit eine weltumspannende Konvektionsmaschine an – die thermohaline Zirkulation (thermo – angetrieben durch Temperaturunterschiede; halin – angetrieben durch Salzgehaltsunterschiede)" *Ohne Fachchinesisch heißt das, dass das kalte Wasser, welches schwerer ist als das warme Wasser im Norden absinkt und sich am Meeresboden nach Süden ausbreitet. An der Oberfläche strömt warmes Wasser von Süden nach Norden nach.
Das Bild unten zeigt ein vereinfachtes Schemata dieser Strömungen. Bei den blau dargestellten Strömungen handelt es sich um die kalten, salzhaltigen Tiefenströmungen. Die warmen Meeresströmungen laufen dagegen an der Meeresoberfläche.
Thermohaline Zirkulation ** |
In diesem Artikel möchte ich mich auf die Temperaturunterschiede konzentrieren. In einem zweiten Artikel werde ich dann die Gefahr durch eine Veränderung des zweiten Einflussfaktors - des Salzgehaltes, unter die Lupe nehmen.
Wie genau treiben Temperaturunterschiede die Meeresströmungen an? Kaltes Wasser ist schwerer als warmes. Es sinkt ab und schiebt sich unter das warme Wasser. Das warme Wasser fließt oben nach. Prinzipiell sind dies die gleichen Mechanismen, welche auch Luftströmungen antreiben.
Hat eine Veränderung der Durchschnittstemperatur hierauf einen Einfluss? Um diese Frage zu beantworten, habe mir den Zusammenhang von Dichte (Gewicht/Volumen) und Temperatur von Wasser angeschaut. In dem nächsten Beispiel untersuchen ich mit einer Beispielrechnung, ob die Kräfte, welche die Meeresströmungen antreiben, bei einem steigenden Temperaturlevel abnehmen.
Dazu untersuche ich 2 Szenarien, zuerst das normale Szenario, welches dann einem zweiten Szenario, mit einem erhöhten Temperaturniveau, gegenübergestellt wird. Im direkten Vergleich der beiden Szenarien kann man dann erkennen, welchen Einfluss eine Erhöhung des Temperaturlevels auf die Strömungen hätte.
Der Temperaturunterschied zwischen dem warmen und dem kalten Meerwasser innerhalb des Szenarios, liegt bei beiden Szenarien bei 8°C. Wer keine Lust auf die schönen kleinen Rechnungen *** hat, kann die beiden Szenarien einfach überspringen.
1. Szenario (Ausgangs-Temperatur-Level):
- Meeresdurchschnittstemperatur: 10°C
- Meeresemperatur kalte Stelle: 6°C
- Meerestemperatur warme Stelle 14°C
2. Szenario (um 3°C erhöhtes Temperatur-Level):
- Meeresdurchschnittstemperatur: 13°
- Meeresemperatur kalte Stelle: 9°C
- Meerestemperatur warme Stelle 17°C
Die Dichtedifferenz von 0,99kg/m³ im 2. Szenario ist deutlich größer als die Dichtedifferenz im ersten Szenario mit 0,7 kg/m³. Die treibende Kraft für die globalen Meeresströmungen nimmt bei steigender Temperatur also zu und nicht etwa ab.
In der Kurve in der Abbildung oben entspricht dies dem "Steilerwerden" der Kurve mit zunehmender Temperatur (nach rechts auf der x-Achse). Der Dichteunterschied nimmt mit der Temperatur zu. Von einem Abreißen der Strömungen kann gar keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Die physikalischen Betrachtungen zeigen deutlich, dass die Temperatur ausgleichenden Strömungen, welche Wärme vom Äquator zu den Polen transportieren, bei steigender Meeresdurchschnittstemperatur zunehmen werden. Solange es an den Polen kälter ist als am Äquator, wird sich an den Meeresströmungen grundsätzlich nicht viel ändern.
Auch jetzt sind die Meeresströmungen nicht konstant sondern verändern sich ständig. Das bekannteste Beispiel für größere, periodisch auftretende Änderungen ist "El Ninjö" . Deswegen kann niemand die genauen Meeresströmungen für die nächsten Jahre voraussagen oder behaupten sie würden genau so bleiben, wie sie jetzt sind. Aber Aussagen wie "die Meeresströmungen werden abreißen, da der Temperaturunterschied bei einem höheren Temperaturlevel die Strömung nicht mehr antreibt" entbehren jeder wissenschaftliche Grundlage. Der Temperaturunterschied wird also nicht dazu führen, dass die wichtigen Süd-Nord-Strömungen abreißen, aber wie sieht es mit einer Änderung des Salzgehaltes aus? Dies werde ich in einem weiteren Artikel untersuchen, es bleibt also spannend und es gibt noch keinen Grund sich in falscher Sicherheit zu wiegen ...
* siehe http://www.welt.de/wissenschaft/article109864209/Golfstrom-lief-auch-in-der-Eiszeit-auf-Hochtouren.html, besucht am 27.01.2013
** Quelle und Copyright des Bildes siehe http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Thermohaline_circulation.png, "This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license."
Weitere Bilder finden sich hier http://www.welt.de/wissenschaft/article109864209/Golfstrom-lief-auch-in-der-Eiszeit-auf-Hochtouren.html oder hier http://worldoceanreview.com/klimasystem/grose-meeresstromungen/
*** Detailerläuterungen zu den Rechnungen:
Die Rechnungen sind der Einfachheit halber mit den Daten von reinem Wasser durchgeführt worden. Die exakten Werte bei Meereswasser weichen hiervon ab. Die Dichte von Meerwasser ist aufgrund des Salzgehaltes entsprechend höher. Grundsätzlich verhält sich die Dichte-Temperatur-Beziehung von Meerwasser jedoch ganz ähnlich, wie die vom reinen Wasser.
Quelle Zahlen: http://www.wissenschaft-technik-ethik.de/wasser_dichte.html
**** Auswahl der Beispiele: Man könnte mir vorwerfen, die Temperaturlevel für die beiden Beispiele seien willkürlich gewählt. Stimmt. Insgesamt bewegt sich die Oberflächentemperatur der Ozeane im Bereich zwischen -1 und +30 ° C, siehe zum Beispiel: http://www.saevert.de/2twasser.htm
Der globale maximale Temperaturunterschied ist also wesentlich größer als 8°C. Der Temperaturunterschied von Wasser an einer Stelle, nur in unterschiedlichen Tiefen, beispielsweise in den Nordmeeren, ist aber wesentlich geringer als 8°C. Mit 8°C habe ich also einen Wert irgendwo aus der Mitte herausgegriffen.
Da die Temperatur/Dichte-Kurve von Wasser kontinuierlich verläuft, kommt man auch bei anderen Beispiel-Rechnungen zu dem gleichen Ergebnis, in der Hinsicht, dass die Dichtedifferenz bei einem steigenden Temperaturlevel zunimmt. Eigentlich ist dieser Effekt noch deutlich stärker. Da die Dichte von Wasser unter 4°C nicht mehr abnimmt, ist die Temperatur des kalten, salzhaltigen Tiefenwassers relativ unabhängig von einer Erhöhung der globalen Temperatur. Ganz ähnlich, wie in unsere Seen im Winter. Dort liegt die Temperatur in der Tiefe auch relativ konstant bei 4°C, egal wie kalt oder warm es an der Oberfläche ist. Dies ist der Hauptgrund warum unsere Seen nicht bis auf den Grund durchfrieren. Die Dichte von Meerwasser hängt zusätzlich stark von dem Salzgehalt ab. So liegt das Dichtemaximum bei vorgegebenem Salzgehalt etwas unter den 4°C von reinem Wasser. Aber dies ändert nichts an dem prinzipiellem Mechanismus. Eine Erhöhung der globalen Temperatur würde an den Temperaturen des Tiefenwassers kaum etwas ändern, wohl aber an der Oberflächentemperatur der Meere, die steigen würde. Bei einem steigenden Temperaturlevel hätten wir es also mit einer größeren Temperatur- und Dichte-Differenz zwischen den wärmsten und kältesten Stellen im Meer zu tun. Dadurch würden die globalen Meeresströmungen wohl noch stärker angetrieben, als durch das Ergebnis der Rechnung oben zu erwarten wäre.